Merkpunkte der Dorfgeschichte

Brittnau hat sich bis heute den Ruf einer gewissen Eigenständigkeit bewahren können. Diese liegt in einer über Jahrhunderte innegehabten Sonderstellung begründet. Die zersplitterten Besitzverhältnisse während der Feudalzeit vom 11. bis zum 16. Jahrhundert verschafften der Gemeinde einen bestimmten Freiraum, den sie ausnützte und auch in die Berner Herrschaft hinüber retten konnte.
Spuren früher Besiedlung belegen steinzeitliche Funde auf dem Kilchberg, römische Münzen und ein Alemannengrab aus dem 7. Jahrhundert auf dem Schürberg. Die erste urkundliche Erwähnung von Brittnau, damals „Pritinouva“ (Wassernahes Land des Prito oder Brito) genannt, findet sich in einem Zinsrodel der Fraumünsterabtei Zürich, der in das Jahr 893 datiert wird. Dann erscheint der Name Brittnau, jetzt „Britenowe“, erst 1173 wieder in einem Schriftstück, das hier einen Besitz des Chorherrenstiftes Beromünster nachweist. In der Zwischenzeit dürfte sich auf der erhöhten Terrasse der linken Talseite eine mittelalterliche Hofsiedlung mit einer Kirche entwickelt haben, deren Grundmauern in das Jahr 1000 zurück reichen. Auch das Kloster Sankt Urban belegt schon 1274 urkundlich Grundbesitz in Brittnau.


Brittnau im Besitz von Feudalherren

Weit bedeutender dürfte jedoch schon damals der Anteil weltlicher Herren an Grund und Boden gewesen sein. Als solche traten um das Jahr 1000 herum in unserer Gegend die Grafen von Frohburg in Erscheinung. Diese sind wahrscheinlich auch die Stifter der Kirche. Ein Zweig dieses Geschlechtes verkaufte 1299 die Aarburg, zu deren Besitz auch Brittnau gehörte, an Habsburg-Österreich. Fortan teilten sich die Habsburger mit den Rittern auf Schloss Wikon, Büttikoner genannt, in den Grundbesitz zu Brittnau und übten hier auch gemeinsam die Gerichtsbarkeit aus. Mit der Eroberung des Aargaus durch Bern im Jahr 1415 erwarb dieses gleichzeitig die bisherigen Rechte der Habsburger in Brittnau, während die Büttikoner die ihrigen behalten konnten. Hundert Jahre später (1516) verkaufte Ritter Jörg von Büttikon seinen Teil der Herrschaftsrechte ebenfalls an Bern, das damit allein die Macht in Brittnau ausüben konnte und dessen Bevölkerung zu Untertanen machte. 1520 veäusserte Jörg von Büttikon seinen Grundbesitz in Brittnau an das Kloster Sankt Urban. Die Brittnauer hatten fortan zwei Herren, einen reformierten als Inhaber der staatlichen Gewalt und das katholische Kloster als Zinsherr.


Unter Berner Herrschaft

Schon kurz nach der Ablösung der Habsburger durch Bern setzte dieses einen Untervogt in Brittnau ein. Dieser war Bern und den Rittern auf Schloss Wikon zu gleichen Teilen zu Gehorsam verpflichtet. Seine Aufgaben waren: Stellvertreter des Landvogtes auf Schloss Aarburg im Chorgericht, das über Sitte und Anstand der Bevölkerung wachte, Vorsitz im Waisengericht (Vormundschaftswesen), Vorsitz im Gericht Brittnau, das stets aus je sechs Vertretern der inneren und der äusseren Gemeinde zusammengesetzt war und das Tausch und Verkauf von Grundstücken besiegelte. Diese Sonderstellung – eigener Untervogt und eigenes Gericht – gab Brittnau eine gewisse Unabhängigkeit, die es oft bis an die Grenze des Zulässigen oder sogar darüber hinaus ausnützte, denn der Obervogt in Aarburg war relativ weit weg und kam nicht allzu oft nach Brittnau.


Der Weg zur selbständigen Gemeinde

Die Verheissung von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ der französischen Revolution hatte in der Bevölkerung vor allem die Erwartung geweckt, der verhasste Zehnten werde abgeschafft. Aber auch die neue, von Napoleon eingeführte Verwaltung konnte natürlich nicht auf Steuern verzichten. Napoleon war es dann auch, der 1803 die sechs Gemeinden des ehemaligen bernischen Amtes Aarburg dem Kanton Aargau zuschlug.
Die im Frühjahr 1803 eingesetzten Bezirksämter organisierten im Sommer die Gemeinderatswahlen. Wie ihre Vorgänger, führten sich auch die neuen Gemeinderäte recht selbstherrlich auf, so dass sie vom Bezirksamt mehrmals zurechtgewiesen wurden. Die Gemeindeversammlungen fanden jeweils am Sonntagnachmittag in der Kirche statt. Nur die Ortsbürger konnten Beschlüsse fassen, und nur sie bezahlten auch Steuern. Die Einsassen (Einwohner) mussten Einsassengeld entrichten und hatten dafür das Recht zum Bezug von Holz. Beide, Bürger und Einsassen, waren zum Gemeindewerk verpflichtet (Bau von Strassen, Brücken, Schulhäusern).
1841 erfolgte die Trennung von Ortsbürger- und Einwohnergemeinde und eine Vermögensausscheidung zwischen den beiden Körperschaften. Bis 1936 war jedoch die Ortsbürgergemeinde allein verantwortlich für das Armenwesen und mit den hohen Kosten dafür belastet. 1851 und 1855 wurden insgesamt 155 Personen zur Auswanderung nach Amerika gezwungen, denen später weitere nachfolgten.